PG Vorspessart
Pastoral 2030 – Zu einer außerordentlichen Versammlung mit Generalvikar Thomas Keßler trafen sich die Dekanatsräte am Untermain der Dekanate Aschaffenburg -Stadt, -West, -Ost und Alzenau am Dienstag, dem 7. Juni 2016 im Martinushaus. Thema war die „Pastoral 2030“ – Information und Diskussion zur geplanten Strukturreform im Bistum Würzburg.

Das System der Pfarreiengemeinschaften, die bis 2010  im Bistum errichtet wurden, sei bereits ausgereizt, ist Generalvikar Keßler angesichts abnehmender Katholiken- und Seelsorgerzahlen überzeugt. Die Tendenz gehe zur Bildung von Großpfarreien. In diesen Wochen besucht er alle Dekanatsräte im Bistum, um ihnen das Votum des Allgemeinen Geistlichen Rates zur Pastoral 2030 vorzustellen. Dabei handelt es sich um eine Empfehlung an den Bischof, wie die Seelsorge der Kirche trag- und zukunftsfähig geplant werden kann.

Keine leichte Aufgabe, wie sich in der lebhaften, kritisch und streckenweise sehr emotional geführten Diskussion herausstellte. Pastoralreferentin Monika Albert, die seit 2010 Beauftragte für den Dialogprozess im Bistum Würzburg ist, fungierte an diesem Abend als Moderatorin. Auf sehr professionelle Art sammelte sie die von den Delegierten vorgebrachten Fragen, Eindrücke und Plädoyers und bündelte sie nach Themenschwerpunkten.

Generalvikar Thomas Keßler, bestellter Verantwortlicher für die Pastoral 2030 im Bistum Würzburg, sah sich im großen Saal des Martinushauses ca. 150 Personen gegenüber. Auch die Vorsitzenden der Pfarrgemeinderäte, gemeinsamen Ausschüsse und der Kirchenverwaltungen, dazu mehrere Pfarrer, befanden sich unter den Geladenen.

Keßler reagierte auf die Beiträge stets sachlich und gelassen, wobei deutlich wurde, dass ihm aufgrund langer Jahre Berufserfahrung als Pfarrer und Dekan keines der angesprochenen Probleme fremd war. „Heute Abend geht es um ein wichtiges Thema. Ihre rege Teilnahme zeigt, dass Ihnen die Zukunft der Kirche nicht egal ist“, wandte er sich an die Zuhörer, die schon zu Beginn seiner Ausführungen recht ungeduldig schienen.

Größere pastorale Räume

 vergrößernAußerordentliche Versammlung der Dekanatsräte Aschaffenburg - Stadt, -West, -Ost und Alzenau mit Generalvikar Thomas Keßler am 7. 06.2016 im Martinushaus Aschaffenburg Gabriele Flügel

Zunächst stellte er ein sog. „Theologische Leitwort“ vor, das von Mitgliedern der Bistumsleitung verfasst wurde, danach das „Votum des Allgemeinen Geistlichen Rates“ vom Februar 2016, zu dem vorwiegend die Hauptabteilungsleiter der Diözese gehören. Beide Schreiben waren den Anwesenden schon vorab zugesandt worden, so dass die Diskussion rasch Fahrt aufnahm. Alles drehte sich um die Frage, wie die Zusammenfassung zu noch größeren pastoralen Räumen oder Großpfarreien organisiert werden soll, ohne dass sich die Gemeinden vor Ort überfahren fühlen. Die Verlustängste sind bereits heute groß, das ging aus den Redebeiträgen hervor: Ängste vor dem Verlust der Selbstständigkeit der Kirchenverwaltungen und Gremien vor Ort, Überforderung im Ehrenamt aufgrund einer Häufung von Aufgaben, zunehmende Anonymität der Menschen, Kürzung pastoraler Angebote sowie weitere Belastung der Pfarrer und hauptamtlichen Kräfte.

Ziel der Überlegungen sei es, eine nachhaltige Perspektive für die Pastoral und einen klaren Rahmen für die Gestaltung des Gemeindelebens vor Ort zu entwickeln, so Keßler. Man könne keinesfalls so weitermachen wie bisher. „Momentan kümmern wir uns um 10 bis 15% der Katholiken, die meisten sind ältere Menschen. Was machen wir mit den Anderen?“ fragte er in die Runde. In jedem Jahr verliere die Diözese Würzburg derzeit rund 10 000 Katholiken, die Kirchensteuereinnahmen verringerten sich bis 2030 um 20 bis 30%. Die Zahl der Seelsorgerinnen und Seelsorger nehme ständig weiter ab, pastorale Berufe würden unattraktiv. Das sei ein gesamtgesellschaftliches Phänomen und erfordere angemessene Reaktionen seitens der Kirche, konstatierte der Generalvikar.

Umdenken angemahnt

 vergrößernAußerordentliche Versammlung der Dekanatsräte Aschaffenburg - Stadt, -West, -Ost und Alzenau mit Generalvikar Thomas Keßler am 7. 06.2016 im Martinushaus Aschaffenburg Gabriele Flügel

Man müsse sich von einer Vollversorgung verabschieden mahnte Keßler und nicht nur auf die Hauptamtlichen schauen: „Als getaufte und gefirmte Christen sind wir alle beauftragt, missionarisch Kirche zu sein“, appellierte er an die Anwesenden, die ihrerseits auf ihre vielfältigen Aufgaben in der Gemeinde hinwiesen und vor einer „Überforderung im Ehrenamt“ und zunehmender Anonymität warnten. Auch die Zahl der ehrenamtlich Engagierten in der Kirche werde kleiner, stellten einige fest.

Wichtig sei eine Änderung in der Grundhaltung, war sich der Generalvikar sicher: „Entscheidend ist, wie wir Gott in einer sich verändernden Gesellschaft zur Sprache bringen. Das ist unser Auftrag - wir wollen keine geistliche Selbstbefriedigung betreiben.“ Dabei sei auch klar, dass die geplanten Strukturen niemals perfekt sein könnten, sondern immer vorläufigen Charakter hätten. Sie könnten auch nicht hierarchisch „von oben“ verordnet, sondern müssten in einem „offenen Miteinander“ zusammen mit den Ortsgemeinden nach und nach entwickelt werden. Somit sei das vorgestellte Votum eine Empfehlung an den Bischof, keinesfalls ein fertiges Konzept.

Kirche als Netzwerk

 vergrößernAußerordentliche Versammlung der Dekanatsräte Aschaffenburg - Stadt, -West, -Ost und Alzenau mit Generalvikar Thomas Keßler am 7. 06.2016 im Martinushaus Aschaffenburg Susanne Mahlmeister

Gemeindemodelle gebe es verschiedene. Hier sei viel Kreativität gefragt, wie Verkündigung, Liturgie, Dienst am Nächsten und Gemeinschaft gepflegt werden können. Die Kirche der Zukunft werde einer „Wabenstruktur“ ähneln, so Keßler: eine Gemeinschaft von Gemeinden, ein Netzwerk von Einrichtungen und Initiativen, die einander ergänzen.

Auf Zahlen wollte sich der Generalvikar nicht festlegen: Die Anzahl der Pfarreien hänge von den künftig zur Verfügung stehenden Pfarrern und Mitarbeitern und auch den Lebensbezügen der Menschen ab. Kirche in der Stadt stelle sich anders dar als auf dem Land. Zusammenlegungen von Gemeinden könnten auch neue Chancen eröffnen und Synergien freisetzen.

Er dankte den „Unneruffern“, wie die Bewohner des Untermains gerne von den Würzburgern genannt werden, für das „lebendige Echo“ an diesem Abend, in dem sie ihre Fragen, Eindrücke, Kritik und Hoffnungen zum Ausdruck brachten. Nun gelte es,  wohlwollend miteinander nach Lösungen zu suchen.

Der Generalvikar wünschte allen am Prozess Beteiligten, dass ihnen ihre Freude an Kirche und Glauben erhalten bleibt und dankte ihnen für ihre lebhafte Mitarbeit. „Wir dürfen das Vertrauen haben, dass Gott uns auf diesem Weg begleitet. Wir sind nicht allein. Gottes Geist stärkt alle, die sich in ihren Gemeinden engagieren. Zusammen mit den Seelsorgern sollen wir immer wieder um diesen Geist bitten. Es geht dabei nicht nur um Strukturen, sondern um eine geistliche Weiterentwicklung. Letztlich muss jeder für sich die Frage beantworten, wie er es mit seinem Christsein hält.“

Mit den Diskussionsergebnissen wird sich der Diözesanrat auf einer außerordentlichen Sitzung Anfang Juli befassen. Zudem wurde eine „Resonanzgruppe“ gebildet, die weitere Anregungen aus den Laiengremien sammeln und über sie beraten soll, bevor sie sie dem Allgemeinen Geistlichen Rat zurückmeldet.

Bischof Friedhelm Hofmann wird sich 2017 in den Ruhestand verabschieden. Üblicherweise folgt darauf eine Zeit der Vakanz. Ein neuer Bischof könnte durchaus eigene Schwerpunkte setzen. Somit bleibt die Frage, wie unsere Kirche sich in Zukunft entwickeln wird, weiter spannend.

Susanne Mahlmeister, Sailauf
Schriftführerin im Dekanatsrat Aschaffenburg-Ost

 

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