PG Vorspessart
Bußgottesdienst – „Die fehlende Mitte“ – dieses Leitwort hatte Pfarrer Schüller für den meditativen Bußgottesdienst gewählt. Anhand der Beschreibung des Linolschnitts „Die fehlende Mitte“ von dem Maler und Grafiker Heinz Seeber lud er die Gläubigen zu Bildbetrachtung und Gewissenserforschung ein. Das Bild zeigt Kreuzigungsszene mit den beiden Schächern, doch das Kreuz Christi fehlt in der Mitte.

Zahlreiche Mitchristen der Pfarreiengemeinschaft waren der Einladung am Sonntagabend, 6. 04. 2014 in die Sailaufer Pfarrkirche gefolgt.

Das Andachtsbild, das die Ministranten austeilten, zeigte die Kreuzigungsszene mit den beiden Schächern. Doch das Kreuz mit Jesus in der Mitte fehlt.
Seeber entwickelte das Bild für eine Ausstellung unter dem Arbeitstitel „Die Orientierungslosigkeit in unserer Zeit“ Es sind rechts und links die Kreuze der beiden Schächer zu sehen, das Kreuz Christi ist abgebrochen, nur ein kurzer Stumpf mit der Inschrift "INRI" ist verblieben. Der abgebrochene obere Teil von Christi Kreuz ist schemenhaft hinter den beiden anderen Kreuzen zu erkennen.

Der reumütige Schächer rechts von Christi Kreuz  bittet nicht mehr, hat resigniert; sein Gesicht verweist auf eine Mischung von Nachdenklichkeit und Verzweiflung; die ganze Haltung des erschlafften Körpers zeigt nach unten und zugleich (rechter Zeigefinger) auf das umgeschlagene Heilandskreuz.

Der andere links vom Kreuz Christi hat ebenfalls keinen Adressaten mehr für seinen Fluch; der Schrei geht nach oben ins Leere. Vom Schmerz deformiert, verkrümmt sich seine Gestalt. Voll Wut und Auflehnung ballt er die Fäuste. Mit aller Kraft (sein linker Fuß!) will er ausbrechen, aber er ist ans Kreuz gebunden und dort allein.

So charakterisiert Seeber die Orientierungslosigkeit unserer Zeit, stellt sie bildhaft dar: in allen Bereichen der pluralistischen Gesellschaft wird Christus als Mittelpunkt immer mehr verdrängt; auch in der Kunst versuchten und versuchen Bilderstürmer zu allen Zeiten, das Kreuz zu eliminieren. Wo aber Christus fehlt, fehlt die Mitte, entstehen Orientierungslosigkeit, Unfriede und Chaos. Besonders das Kruzifix-Urteil aus dem Jahre 1996 führt diesen Umstand deutlich vor Augen. Die Darstellung der "Fehlenden Mitte" ist heute ebenso wie in den 70er Jahren, der Entstehungszeit, symptomatisch für die Situation unserer Zeit.

Zu drei Leitfragen waren die Gläubigen eingeladen, ihr Verhalten zu überdenken:

Was löst der Blick auf das Kreuz Christi in mir aus?

Wann und wo suche ich bewusst Christus?

Wie können andere durch mich Christus begegnen?

Dazwischen blieb bei meditativer Orgelmusik Zeit zur Besinnung.

Gebet:

Jesus Christus, was wäre ich ohne dich?
Woher nähme ich die Orientierung, wenn es schwer ist, die richtige Entscheidung zu treffen?
Woher käme mir Trost, wenn mich Sorgen drücken, woher die Kraft, wenn es gilt, auszuhalten?
Du kommst mir entgegen, du bietest mir deine Nähe an:
durch dein Wort, in der Gemeinschaft mit anderen, die an dich glauben,
in den Menschen, die mir ihr Vertrauen und ihre Liebe schenken,
und in jenen, die mich brauchen.

Mache mich zu einem glaubwürdigen Zeugen für dich, damit meine Nächsten durch mich erfahren, wie gut du bist. Amen.

(Gemeindezettel zum Bußgottesdienst „Die fehlende Mitte“, Deutsches Liturgisches Institut Trier)

 

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