„Als die Bilder laufen lernten“, sei Kinopianist und Kinoorganist ein ehrenwerter Beruf gewesen, denn Tonspuren zu den Filmen waren in den 1920er Jahren noch nicht erfunden, erläuterte Stefan Schmidt. So unterstützten die Musiker damals kreativ die Stimmungen der Filme durch passende Livemusik. Eine originale Filmmusik zu „La Passion de Jeanne d’Arc“ gebe es nicht.
Ca. 60 interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer, die an diesem Abend bei eisiger Kälte den Weg in die gut geheizte Kirche gefunden hatten, waren gespannt, was sie erwarten würde.
Vor der großen Leinwand, die im Kirchenraum aufgebaut war, begrüßte zunächst Organist Martin Mahlmeister aus Sailauf Stefan Schmidt. Er wirkt am Würzburger Kiliansdom als Organist und übt zugleich eine Professur für Orgelimprovisation an der Robert-Schumann-Hochschule für Musik in Düsseldorf aus. Es sei glücklicherweise gelungen, Schmidt an die englische Harrison & Harrison Orgel von 1902 zu holen, um eine Klangprobe seines Könnens zu erleben.
Natürlich handelte es sich vom Inhalt des Filmes her um keine leichte Kost, jedoch durchaus passend zur Fastenzeit: Die Jungfrau von Orleans, Nationalheilige von Frankreich, musste sich in dem von Engländern besetzten Nordfrankreich wegen Ketzerei (und aus politischen Gründen) einem Scheinprozess unterwerfen, weil sie sich von Gott gesandt fühlte, Frankreich zu befreien. Ihre Richter und Peiniger unterzogen sie einem Verhör, dessen Prozessakten bis heute vorhanden sind, und quälten sie in einem Martyrium in der Folterkammer, das mit der Verbrennung auf dem Scheiterhaufen endete. (20 Jahre später wurde sie von der Kirche rehabilitiert.)
Der 90-minütige Film des Regisseurs Theodor Dreyer von 1928 zeigt die letzte Lebensphase der Jeanne d‘Arc in eindrücklichen Großaufnahmen, vorwiegend die Gesichter der Beteiligten, die die ganze Palette von Gefühlsregungen (Zorn, Trauer, Verzweiflung, Spott, Verschlagenheit etc.) widerspiegeln. Die Dramatik des Prozessverlaufes und Martyriums unterstütze Stefan Schmidt meisterhaft an der Orgel. Dazu diente ihm ein Monitor auf dem Orgelspieltisch, damit er das Geschehen vor Augen hatte. Mit besonderem Einfühlungsvermögen untermalte er alle Passagen musikalisch unter Einsatz der verschiedensten Klangfarben der Register.
Schmidt bat die Besucherinnen und Besucher, am Ende des Filmes von Applaus abzusehen, was auch verständlich war: Ergriffen und nachdenklich blieben sie noch länger in den Bänken sitzen. Als das Licht wieder anging, hatten die meisten das Bedürfnis, sich mit anderen auszutauschen. Einerseits erachtete man den Film als „schrecklich“, da er eindringlich zeige, welches Unrecht und Leid Menschen einander antun können. Aus künstlerischer Sicht sei er mit seinen klaren, kontrastreichen Schwarzweißaufnahmen hervorragend gemacht, verzichte dabei auf grausame Darstellungen.
vergrößernDomorganist Professor Stefan Schmidt an der Sailaufer Orgel Martin MahlmeisterViel Lob erhielt Stefan Schmidt in persönlichen Gesprächen mit den Besuchern für sein einfühlsames virtuoses Orgelspiel. Einige fanden den Weg hoch zur Empore, um sich die Orgel einmal aus der Nähe anzusehen.
Professor Schmidt zeigte sich von der Orgel begeistert, die die Pfarrei Sailauf im Jahr 2014 aufwändig hatte restaurieren lassen. Mit jedem der 26 Register könne man sich stundenlang beschäftigen, jedes brächte vielfältigste Klangmöglichkeiten hervor. Insgesamt bewertete er den Klang der Orgel als etwas ganz Besonderes, gut geeignet für derartige Improvisationen.