Liebe Schwestern und Brüder in Christus, nun ist es uns seit 10. Mai 2020 wieder möglich, öffentlich und unter den notwendigen Einschränkungen Gottesdienste zu feiern. Die bislang erlaubten Wort-Gottes-Feiern in unseren Pfarreiengemeinschaften St. Vitus im Vorspessart und Laufachtal werden von etwa 20 bis 50 Mitfeiernden begrüßt.
Neben einer nachvollziehbaren Zurückhaltung lassen sich offenbar diese Gläubigen darauf ein, die durch den einzuhaltenden Mindestabstand eingeschränkte Aufnahmemöglichkeit unserer St. Vitus- und St. Thomas Morus-Kirche in Kauf zu nehmen und den Gottesdienst mit Mund-Nase-Bedeckung mitzufeiern? Offenbar schätzen es diese Gläubigen wert, nach der langen Zeit des Verzichts wieder bekannten Gesichtern begegnen und in leibhaftiger Gemeinschaft mit ihnen den Glauben feiern zu können?
Vielleicht haben manche in dieser Zeit der Corona-Krise für sich entdeckt, dass es zum sonntäglichen Gottesdienstbesuch auch andere, für sie persönlich passendere Formen gibt, den Glauben zu leben? Vielleicht hat es selbst die Zeit des auferlegten Verzichts und der damit einhergehenden Bewusstseinsschärfung nicht vermocht, das alte Denkmuster zu durchbrechen: Wichtiger als der Gottesdienstbesuch an sich ist die Tatsache, dass er an einen ganz bestimmten Ort und zur üblichen Zeit angeboten wird? Oder man wartet einfach ab, bis das noch nie Erlebte vorübergeht und alles wieder wie gewohnt ist? Einige Fragen, die sich uns, Ihrem Seelsorgeteam, im Augenblick stellen.
Die Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat wieder bewusst den Mehrwert des Wortes Gottes entdeckt und daher den Wortgottesdienst zu einem wesentlichen und unverzichtbaren Bestandteil jeder Messfeier bestimmt. Denn zu unserem Menschsein gehört wesentlich die Kommunikation, die Erfahrung also, persönlich angesprochen zu sein und sich austauschen zu dürfen. Das gemeinsame Mahl ist ein Ausdruck dieser vorausgegangen Erfahrung von «communio» und wäre ohne sie sinnentleert. Kurzum: Die Kommunion setzt die Kommunikation voraus und lässt sie so für uns zur Quelle und zum Höhepunkt werden.
Fern aller gegenreformatorischen Messopfertheologie, die sich auf ein magisches Wandlungsverständnis fixiert, das sich wiederum aus einem bruchstückhaften Katechismuswissen speist, bezeugt die Bibel: Jesus hat sich vor seinem Leiden und Kreuzestod mit denen zum «Gedächtnismahl» versammelt, die zuvor von ganzem Herzen bekannten: «Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens» (Joh 6, 68). Nach seiner Auferweckung hat sich Christus erst dann mit den Jüngern zum österlichen Mahl zusammengesetzt, als er sich auf dem Weg nach Emmaus ihre Trauer und Hoffnungslosigkeit erzählen ließ und sie mit seiner Auslegung der Schrift innerlich zum Brennen brachte (vgl. Lk 24, 13–35).
An diesem Pfingstfest feiern wir erneut, dass diese innige Erfahrung der Jünger*innen des Herrn, angesprochen zu sein und verkünden zu dürfen, den Mut gab, aus sich herauszugehen und in Wort und Tat zu zeigen, wessen Geistes Kind sie sind. Und genau hier geschah das Wunder, Verständigung und Verständnis über alle Grenzen und Sprachbarrieren hinweg. Es ist gleichsam die Geburtsstunde der Kirche als Versammlung derer, die sich berufen wissen und mit Vertrauen, Lob und Danksagung (griechisch: Eucharistie) auf das ihnen Zugesagte antworten.
Liebe Schwestern und Brüder in Laufach-Frohnhofen, Hain im Spessart, Sailauf-Eichenberg, Rottenberg und Feldkahl, heute sind wir es, die Hörende und Zeugen des Wortes Gottes sind. Ich habe jedoch den Eindruck: Der Weg zu unserem Emmaus, zur öffentlichen Feier der Messe also, ist noch nicht in Sicht. Noch brauchen offenbar einige Zeit, um aus der Corona-Krise mit den alten Denkmustern herauszufinden, um wie die Emmausjünger nach ihrer Karfreitagskrise zur Erkenntnis zu kommen: «Brannte nicht unser Herz in uns, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schriften eröffnete» (Lk 24, 32)? Noch ist nicht alles wie gelernt und gewohnt und wird es hoffentlich in mehrfacher Hinsicht auch nicht mehr sein.
So möchte ich schließen mit den begleitenden Worten unseres Bischofs zum jüngsten Dekret: «Ich bitte darum, diese Öffnung (meint: öffentliche Messfeiern) behutsam vorzunehmen (…). Es liegt nun im Ermessen der Verantwortlichen vor Ort, angemessen mit dieser Situation umzugehen und das umzusetzen, was jetzt möglich und sinnvoll erscheint.»
Ich erhoffe uns die Fürsprache Marias, die das Wort Gottes unter ihrem Herzen getragen und geboren hat, und erbitte uns allen den Segen des auferstandenen und erhöhten Herrn, der auch unser Herz brennen lassen will.
Für das Seelsorgeteam
Ihr Andreas Reuter, Pfarrer